Anpassung der Bewirtschaftungskosten – Modellkonformität oder Aktualität?

Im Rahmen des Ertragswertverfahrens sind vom Jahresrohertrag die Bewirtschaftungskosten abzuziehen, um rechnerisch zum Jahresreinertrag zu gelangen. Hier zählen insbesondere Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, das Mietausfallwagnis sowie sonstige nicht auf den Mieter umlegbare Betriebskosten.

Der Ansatz der Bewirtschaftungskosten erfolgt dabei gutachterlich idR. nach den Vorgaben der Ertragswertrichtliche (EW-RL 2015) oder nach den Vorgaben der II. Berechnungsverordnung (II. BV). Die meisten Gutachterausschüsse setzen beim Ableiten der Liegenschaftszinssätze aber erfahrungsgemäß auf die Ertragswertrichtlinie.

Die anzusetzenden Bewirtschaftungskosten sind dabei jährlich anzupassen, dabei heißt in Anlage 1, Anschnitt 3 Satz 2 in der EW-RL 2015:

„Diese Wertfortschreibung erfolgt mit dem Prozentsatz, um den sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland für den Monat Oktober 2001 (die Angaben
in der II. BV beziehen sich auf das Jahr 2002) gegenüber demjenigen für den Monat Oktober des Jahres, das dem Stichtag der Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes vorausgeht, erhöht oder verringert hat.“

 

Die Problematik der Modellkonformität

Nach dem Grundsatz der Modellkonformität hat der Sachverständige dabei die Bewirtschaftungskosten des Jahres anzusetzen, nachdem der zuständige Gutachterausschuss den Liegenschaftszinssatz abgeleitet hat. Dies führt in der Praxis jedoch zu der Problematik, dass somit Bewirtschaftungskosten anzusetzen sind, die teilweise drei Jahre älter sind als der Wertermittlungsstichtag. Das liegt ganz einfach daran, dass Gutachterausschüsse nicht jährlich einen neuen Grundstücksmarktbericht veröffentlichen. Liegt der Wertermittlungsstichtag also beispielsweise Anfang 2022, der zuletzt veröffentlichte Grundstücksmarktbericht ist aber aus dem Jahr 2020, müssten nun folglich die Bewirtschaftungskosten des Jahres 2020 im Rahmen der Ertragswertermittlung angesetzt werden, da auch der Liegenschaftszinssatz auf Basis 2020 abgeleitet wurde (Modellkonformität).

Dass sich dabei rechnerische Abweichungen ergeben, wenn von dem anzusetzenden Jahresrohertrag im Jahr 2022 die Bewirtschaftungskosten aus dem Jahr 2020 subtrahiert werden, ist selbsterklärend. Viele Sachverständige arbeiten in der Praxis daher mit den Bewirtschaftungskosten des Jahres des Wertermittlungsstichtages.

Insbesondere in Zeiten, in denen sich Kosten überdurchschnittlich stark und schnell verändern, führt der Umstand, dass Marktanpassungsfaktoren wie der Sachwertfaktor oder der Liegenschaftszinssatz stets vergangenheitsbezogen sind, zu Problematiken in der Bewertungspraxis. Der Sachverständige hat die ermittelten Zahlen also stets mit der eigenen Erfahrung und fachlichen Qualifikation kritisch zu hinterfragen.

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