Wertermittlung von Erbbaurechten

Wertermittlung von Erbbaurechten

Die Wertermittlung von Erbbaurechten gehört zu den anspruchsvolleren Themen innerhalb der Immobilienbewertung. Sie erfordert nicht nur fundierte Fachkenntnisse, sondern auch ein tiefes Verständnis der vertraglichen und rechtlichen Besonderheiten. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass selbst erfahrene Sachverständige dieses Themenfeld mit Vorsicht behandeln – oder es mitunter ganz vermeiden.

In diesem Blogartikel möchten wir einen verständlichen Einstieg in die Bewertung von Erbbaurechten geben. Zudem beleuchten wir typische Herausforderungen und Stolperfallen, die in der Praxis häufig auftreten.

Was ist überhaupt ein Erbbaurecht?

Das Erbbaurecht ist das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten oder zu unterhalten – beispielsweise ein Einfamilienhaus. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes grundstücksgleiches Recht, das im Grundbuch eingetragen wird und somit rechtlich weitgehend dem Eigentum an einem Grundstück ähnelt.

In der Praxis bedeutet das: Der Erbbaurechtsnehmer (auch Erbbauberechtigter genannt) darf das Grundstück nutzen, obwohl er nicht Eigentümer des Grundstückes ist. Er zahlt dafür in der Regel einen regelmäßigen sogenannten Erbbauzins an den Grundstückseigentümer, den Erbbaurechtsgeber. Dieser Erbbauzins ist vertraglich vereinbart und orientiert sich meist am Bodenwert und an einer festgelegten Prozentzahl. Zu der Bedeutung der Erbbaurechtshöhe in der Wertermittlung von Erbbaurechten kommen wir später noch einmal zurück.

Ein Erbbaurecht wird in der Regel für eine befristete Laufzeit eingeräumt, z.B. für 99 Jahre. Nach Ablauf der Laufzeit fällt das Bauwerk in den Besitz des Grundstückseigentümers zurück – der Erbbaurechtsnehmer erhält dafür in der Regel eine sogenannte Entschädigung (Heimfallregelung). Auch diese kann einen erheblichen Einfluss auf den Wert des Erbbaurechtes haben. Denn je nach vertraglicher Regelung kann es natürlich einen großen Unterschied machen, ob der Erbbaurechtsnehmer bei Ablauf des Erbbaurechtes (und fehlender Verlängerungsoption) nur einen Teil es Immobilienwertes erhält.

Wichtig ist: Oft wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Erbpacht“ verwendet – dieser ist jedoch fachlich nicht korrekt und stammt noch aus der Zeit vor Einführung des Erbbaurechtsgesetzes im Jahr 1919. Während die Pacht die Nutzung einer Sache gegen Entgelt erlaubt, handelt es sich beim Erbbaurecht um ein veräußerbares, vererbbares und grundbuchfähiges Recht eigener Art – also um ein sehr eigenständiges Rechtskonstrukt im deutschen Immobilienrecht. Erbpacht ist in Deutschland gar nicht zulässig, obwohl man den Begriff sehr regelmäßig in Immobilienanzeigen liest.

Hinweis: In der Wertermittlung ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob der Bewertungsgegenstand das Erbbaurecht selbst (also das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Gebäude zu besitzen und zu nutzen) oder das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück ist – Letzteres aus Sicht des Erbbaurechtsgebers, also des Eigentümers des Bodens.

Dieser Artikel befasst sich ausschließlich mit der Wertermittlung von Erbbaurechten, also aus der Perspektive des Erbbaurechtsnehmers – jener Person, der das Gebäude gehört, nicht aber das Grundstück.

Wie ermittelt sich der Wert eines Erbbaurechtes?

Zur Wertermittlung von Erbbaurechten existieren grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten: die Wertermittlung über den Erbbaurechtskoeffizienten und die Wertermittlung über den Erbbaurechtsfaktor. Auch wenn diese Begriffe ähnlich klingen, unterscheiden sich die Verfahren grundlegend. Gemein ist beiden Methoden, dass zunächst der Wert des fiktiven Volleigentums ermittelt wird. Das bedeutet: Der Sachverständige bewertet im ersten Schritt so, als gäbe es kein Erbbaurecht – also den Wert von Boden und Gebäude. Erst im zweiten Schritt wird der Wert des Erbbaurechts abgeleitet.

Variante mit dem Erbbaurechtskoeffizienten

Die Methode über den Erbbaurechtskoeffizienten stellt die einfachere Variante der Wertermittlung dar. Der Koeffizient ist ein Umrechnungsfaktor, der den Wert des fiktiven Volleigentums in den Wert des Erbbaurechts überführt. Geregelt ist dieses Verfahren in § 23 der ImmoWertV. Dort heißt es in Absatz 2:

„Die Erbbaurechtskoeffizienten geben das Verhältnis des vorläufigen Vergleichswerts des Erbbaurechts zum Wert des fiktiven Volleigentums im Sinne des § 49 Absatz 1 Satz 2 an.“

Grundvoraussetzung für die Anwendung eines solchen Erbbaurechtskoeffizienten ist, dass der zuständige Gutachterausschuss diesen überhaupt ableitet. In Hamburg ist das der Fall – hier veröffentlicht der Gutachterausschuss sowohl Erbbaurechtskoeffizienten als auch Erbbaurechtsfaktoren.

Die Finanzverwaltung nutzt bei der steuerlichen Bewertung von Erbbaurechten in Hamburg erfahrungsgemäß diese vereinfachte Methode über den Erbbaurechtskoeffizienten. In der Praxis führt dies jedoch häufig zu nicht marktgerechten Ergebnissen. Denn vertragliche Regelungen, die die Werthaltigkeit des Erbbaurechts maßgeblich beeinflussen – etwa die Höhe des Erbbauzinses, Heimfallregelungen, Verlängerungsoptionen oder die Restlaufzeit – bleiben bei dieser Methode unberücksichtigt. Deshalb verwenden wir dieses Verfahren vor allem für eine erste, grobe Plausibilisierung.

Variante mit dem Erbbaurechtskoeffizienten

Bei der finanzmathematischen Methode über den Erbbaurechtsfaktor ist es möglich, die vertraglichen Rahmendaten des Erbbaurechtsvertrages deutlich besser zu berücksichtigen. Daher führt dieses Verfahren nach unserer Erfahrung auch zu deutlichen genaueren Wertermittlung von Erbbaurechten.

Hier wird bei der Wertermittlung zunächst verglichen, wie hoch der vertraglich vereinbarte Erbbauzins in Vergleich zum angemessenen Erbbauzins ausfällt. Häufig wird für die Höhe des angemessenen Erbbauzinses der objektspezifisch angepasste Liegenschaftszinssatz verwendet, demnach also die Bodenwertverzinsung. Ist der jährliche Erbbauzins niedriger als die Bodenwertverzinsung, entsteht dem Erbbaurechtsnehmer ein jährlicher Zinsvorteil. Dieser jährliche Zinsvorteil wird dann über die restliche Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages kapitalisiert. Somit ergibt sich dann der Barwert des jährlichen Zinsvorteils (als „Ersatz“ für den Grundstückswert).

Dieser Barwert des Zinsvorteils wird dann mit dem Zeitwert der baulichen Anlagen (ohne Grundstück) addiert. Die Summe stellt dann den vorläufigen, finanzmathematischen Wert des Erbbaurechtes dar. Erst jetzt kommt der Erbbaurechtsfaktor ins Spiel, welcher in § 22 ImmoWertV geregelt ist. Durch Multiplikation des vorläufigen, finanzmathematischen Wert des Erbbaurechtes mit dem Erbbaurechtsfaktor ergibt sich so der Wert des Erbbaurechtes. Im Falle, dass die Restlaufzeit kürzer ist als die Restnutzungsdauer des Gebäudes, ist noch (je nach vertraglicher Regelung) zu ermitteln, wie hoch der Gebäudewertanteil bei Ablauf des Rechtes ist, der zu entschädigen ist.

Diese finanzmathematische Methode ist insgesamt die detailliertere und aussagekräftigere Form der Bewertung. Denn bei der ersten Methode über den Erbbaurechtskoeffizienten würde es z. B. keinen Unterschied machen, ob Sie jährlich 100 € oder 10.000 € Erbbauzins zahlen – ein in der Praxis oft erheblicher Fehler.

Fazit und Bedeutung für die Praxis

Die Wertermittlung von Erbbaurechten stellt ein anspruchsvolles und zugleich praxisrelevantes Spezialthema in der Immobilienbewertung dar. Wir haben uns auf die Wertermittlung von Erbbaurechten spezialisiert und werden häufig von Mandanten beauftragt, bei denen die Finanzbehörde einen Wert mittels Erbbaurechtskoeffizienten feststellt, der möglicherweise nicht den Marktgegebenheiten entspricht. Wenn Sie an einem marktgerechten und modellkonformen Gutachten über den Wert eines Erbbaurechts interessiert sind, sprechen Sie uns gerne an.

Haftungsausschluss: Dieses Dokument wurde mit größter Sorgfalt erstellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte können wir jedoch keine Gewähr übernehmen.